Der Jeanette-Schocken-Preis 2009 wurde Ursula Krechel zugesprochen.
Ursula Krechel wurde 1947 in Trier geboren. ist eine deutsche Schriftstellerin. Sie studierte Germanistik, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte an der Universität Köln. Seit 1972 arbeitet sie als freie Schriftstellerin und veröffentlicht Gedichte, Romane, Essays, Theaterstücke und Hörspiele.
In dem 2008 erschienenen Roman „Shanghai fern von wo“ beschreibt sie das Schicksal einiger der achtzehntausend Juden, die seit 1938 eines der letzten visumfreien Schlupflöcher nutzen und so im fernen fremden Shanghaier Ghetto überleben konnten. Der Roman verfolgt aber auch die Rückkehr von Exilanten nach Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und zeigt die Unbarmherzigkeit, mit der man mit den Rückkehrern umging.
Aus der Begründung der Jury:
„Seit Jahren hat Ursula Krechel sich einem Thema gewidmet, das bisher in der Literatur kaum eine Rolle gespielt hat: Das jüdische Exil in Shanghai in der Zeit des Nationalsozialismus. – Sorgfältige historische Recherche hat sie mit empfindsamer Menschendarstellung zu einem überzeugenden literarischen Ganzen verbunden. Es glückt ihr, aus Gefundenem und Erfundenem einen so lebendigen wie anrührenden Roman zu gestalten.“
Aus der Laudatio von Wend Käsens:
„Nach dem Motto, Brigitte Kronauer nachempfunden, „Mein Leben ist nichts – das Leben ist alles“ tritt das Ich der Autori n ganz zurück, um das Leben selbst in seiner ganzen Widersprüchlichkeit, Heftigkeit, in seinem Schmerz und Lied, aber auch in seiner gelegentlichen Freude zu Wort kommen zu lassen. […] Es gibt im Roman „Shanghai fern von wo“ zahlreiche poetisch lyrische Passagen, Wortspiele, Wortkompositionen, die das Bekannte so wenden, das man es neu zu sehen vermag. […] Es geht nicht nur darum, das Reale darzustellen, sondern es, wie Roland Barthes es formuliert, zu bedeuten. Das ist hier faszinierend gelungen.“
Aus der Dankrede von Ursula Krechel:
„Es kam darauf an, eine Erzählperspektive zu entwickeln, die nicht zu nah und nicht zu fern von den Gegenständen sein durfte. Eine zu große Nähe könnte fälschlich identifikatorisch wirken, dazu hatte ich keinen Anlaß, eine zu große Entfernung kühl, historisch, dazu war die Empathie mit den Überlebenden in Shanghai zu groß. Die Gestalten des Buches, die ihre Namen historischen Personen entleihen, entwickelten sich fort, erzählten von ihrem Mut, ihrer Ausdauer, ihren Niederlagen, dem Kampf gegen Schmutz und Ekel, dem Verlust geliebter Personen. Forschen und Schreiben trennten sich mehr und mehr.“