Der Jeanette-Schocken-Preis 1999 wurde Tuvia Rübner zugesprochen.
Tuvia Rübner wurde 1924 in Bratislava/Preßburg als Kurt Rübner geboren. Er wuchs in einer deutschsprachigen jüdischen Familie auf. Nachdem seine Eltern und seine Schwester nach Polen deportiert worden waren, konnte er 1941 im letzten Augenblick mit einer Gruppe von zehn Jugendlichen nach Palästina auswandern. Seine Angehörigen wurden mutmaßlich 1942 im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet. Im Kibbuz Merchawia war er zunächst Schafhirte und arbeitete im Weinberg oder auf dem Feld.
Gleich nach seiner Ankunft in Merchawia begann er Gedichte zu schreiben: zunächst auf Deutsch, ab Mitte der 1950er-Jahre auf Hebräisch, ab den 1990er Jahren auch wieder in deutscher Sprache.
Außerdem war Tuvia Rübner ein wichtiger Übersetzer: Er übertrug u. a. Werke von Goethe, Kafka und Celan ins Hebräische, und Werke von Samuel Joseph Agnon und Dan Pagis aus dem Hebräischen ins Deutsche. Bis zu seiner Emeritierung 1922 war er Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Haifa.
Tuvia Rübner starb 2019 im Kibbuz Merchawia.
Aus der Begründung der Jury:
“Seine Gedichte […] setzen häufig bei Alltagsereignissen und Naturerfahrungen in der Landschaft seiner neuen Heimat ein, werden jedoch von Erinnerungen an Tod und Gewalt, an Liebe und Verlust durchkreuzt. Die Sprache dieser Gedichte ist lakonisch und atmend, ohne Eile, wie im Zwiegespräch gesprochen. Ihr Wesentliches verbirgt sich oft gerade in den Aussparungen, im Zögern und Innehalten, in Lektionen der Stille.”
Aus der Laudatio von Thomas Sparr:
„Wer in der Kunst Wahrheit sucht, wer sein Leben an diese Suche setzt, der wird überempfindlich gegen den Missbrauch der Worte […]. Vielleicht können wir von daher Grundmotive seines eigenen lyrischen wie übersetzerischen Werkes verstehen: der lakonische Ton, das einzeln gesetzte Wort wie die Aufmerksamkeit für das Kleine, Beiseitegeschobene, Verborgene und Vergessene […].
Aber das Leichte in diesem Leben und Schreiben ist dem Schweren abgerungen. […] Diese Gedichte propagieren nichts, sie entwerfen keine historischen Panoramen oder Visionen. Sie blicken uns an. WIr müssen ihrem Blick standhalten.“
Aus der Dankrede von Tuvia Rübner:
„Das Gedicht besitzt ein autonomes Zeitmaß, deutlich erkennbar vor allem an strengen metrischen Texten; die Bildlichkeit im Gedicht ist auf sich selbst bezogen; die Zeit ist nicht Ablauf – es kennt kein Früher oder Später [….]. So ist das Gedicht vom Nicht-Gedicht geschieden durch durch seinen sich selbst setzenden Sprachduktus, und dadurch, dass es etwas anderes ist, widersetzt es sich dem bestehenden Machtgefüge. Durch sein Anderssein postuliert es die Möglichkeit eines anderen –darf ich sagen: gerechteren?, vielleicht einfach: anständigeren oder genauer: möglichen Lebens.“