Der Jeanette-Schocken-Preis 2015 wurde Gerhard Roth zugesprochen.
Gerhard Roth wurde 1942 in Graz geboren. Als Erzähler, Dramatiker und Essayist setzte er sich aufmerksam und kritisch mit der österreichischen Vergangenheit und der politischen Gegenwart auseinander. Über drei Jahrzehnte erstreckte sich die Arbeit seinem Lebenswerk: Die beiden Werkzyklen „Die Archive des Schweigens“ (1978–1991) und „Orkus“ (1993–2011) reflektieren in 15 Bänden die Geschichte Österreichs seit dem Nationalsozialismus – „eine Welt- und Menschenerkundung von Shakespeareschem Ausmaß“, wie die Jury beeindruckt feststellte.
Gerhard Roth starb 2022 als vielfach ausgezeichneter Schriftsteller in Graz.
Aus der Begründung der Jury:
„[Gerhard] Roth zieht es an die Orte der Erinnerung und der Beobachtung, der Verrückungen und der Krankheiten, der Geschichte und der Ideologien, der Künste – allen voran Literatur und Malerei, der Träume, Albträume und der Phantasien. Da er die Wirklichkeit des Lebens und der Künste nicht trennt, türmt sich ein gewaltiges Bildungsopus, in dem die Lebendigen und die Toten sich in einer großen Erzählung finden […] aus der künstlerischen und konkreten Beschäftigung mit dem Leben und dem Tod in unserer Epoche.“
Aus der Laudatio von Hans-Jürgen Heinrichs:
„In seinen Romanen drückt [Gerhard Roth] die individuelle Beobachtung der Menschen, ihr Denken und Verhalten in den Vordergrund. […] Wie sind die Menschen während des Nationalsozialismus mit einer so menschenverachtenden und massenvernichtenden Ideologie […] umgegangen und wie gehen sie heute damit um? In diesem Sinn ist der Schriftsteller als Mentalitätsforscher auch Historiker.“
Aus der Dankrede von Gerhard Roth:
„Die gegenseitige Fremdheit ist ein allen Menschen gemeinsames Schicksal. Sie kann jedoch ein lebenslanges und lebenswertes Abenteuer sein, wenn wir damit beginnen, das Fremde in und um uns wie ein Kryptogramm zu entziffern und anfangen, es allmählich zu verstehen.“