Der Jeanette-Schocken-Preis 2019 wurde Dževad Karahasan zugesprochen.
Dževad Karahasan wurde 1953 als Sohn muslimischer Eltern in Duvno im heutigen Bosnien-Herzegowina geboren. Seine erste prägende Bildung von Franziskaner-Patres. Er studierte Literatur- und Theaterwissenschaft in Sarajevo, die Promotion erfolgte an der Universität Zagreb.
1993 floh Karahasan aus der umkämpften Stadt Sarajevo, die in vielen seiner Büchern eine zentrale Rolle spielt. Sein umfangreiches Werk umfasst Romane, Essays, Erzählungen und Theaterstücke.
Dževad Karahasan starb im Mai 2023 als vielfach preisgekrönter Autor in Graz.
Aus der Begründung der Jury:
„Dževad Karahasans Bücher sind absolut zeitgenössisch, aber auf raffinierte Weise zeitlos. Sie zeigen den Menschen in seiner Verführbarkeit und beschreiben staatliche Systeme und ihren moralischen Verfall. […] In Karahasans Roman „Der nächtliche Rat“ geht es um das Jugoslawien des Jahres 1991, am Vorabend des Bürgerkriegs, und der Autor verbindet dabei einen Proustschen Erinnerungssog mit dem sensiblen Registrieren gesellschaftlicher Veränderungen. Alle seine Bücher vereinen sich zu einer eindringlichen Absage an jede Form von Nationalismus und ideologischer Engstirnigkeit. […] Karahasan bringt die unmittelbare Liebe zum Dasein und das Bewusstsein für die Katastrophe der Geschichte auf eine einzigartige Weise zusammen.“
Aus der Laudatio von Andreas Breitenstein:
„Egal, welches Buch von Dževad Karahasan man aufschlägt: es erklingt eine unverwechselbar eigene Erzählstimme und unverkennbar eigener Echoraum […]. Karahasans Texte sind von stupender Gelehrsamkeit und unerhörtem Anspielungsreichtum, und doch bleibt der Dichter ein gut geerdeter Mensch, dem alles Elitäre fremd ist. […] Zweifelsohne ist Karahasan ein Philosoph, doch einer, der das Erzählen nicht lassen kann. Was nichts anderes heisst, als dass er sich nicht nur für das Allgemeine, sondern immer auch für das Besondere interessiert.“
Aus der Dankrede von Dževad Karahasan:
„Bücher bewahren die Zeit besser und genauer als alles, was die Menschen erfunden haben […]. Das Buch verzeichnet und bewahrt die Ängste und Hoffnungen, die Verhaltenswieen und Dilemmata der Menschen, die eine Zeit erlebt haben, in ihrer vollen Konkretheit. […] Eine menschliche Siedlung wird mit einer Bibliothek zur Stadt, und Sarajevo verlor im Jahr 1992 eine seiner Bibliotheke, die größte und wichtigste. Daher ist es von entscheidender Wichtigkeit, daher ist es das Wichtigste bei der Verteidigung der Stadt, die Bibliothek zu erneuern, Bücher zu schenken und sie zu lesen.“