Louis Begley (Seite)

Der Jeanette-Schocken-Preis 1995 wurde Louis Begley zugesprochen.

Louis Begley wurde als Ludwig Beglejter an 6. Oktober 1933 in Stryj (Galizien) im damaligen Polen geboren. Sein Vater, ein Arzt, war gezwungen, sich der russischen Armee anzuschließen und verbrachte den Großteil des Krieges in Samarkand. Begley und seine Mutter blieben bis zur Errichtung des Ghettos in Stryj. Mit Hilfe falscher Papiere, die sie als katholische Polen auswiesen, flüchteten sie zuerst nach Lwów, dann nach Warschau. Dort erlebten sie den Untergang des Warschauer Ghettos.

Das Ende des Krieges brachte sie in Krakau wieder mit Begleys Vater zusammen. Die Familie behielt weiterhin den falschen polnischen Namen und wagte es auch nach dem Krieg nicht, sich zu ihrer jüdischen Identität zu bekennen. Bald darauf wanderte die Familie in die USA aus.

1950 erhielt Louis Begley ein Stipendium der Harvard University und studierte dort Jura sowie Englische Literatur. Im Rahmen seines Militärdienstes war er u. a.  18 Monate in Göppingen stationiert. Anschließend entschied sich Begley für eine Berufstätigkeit als Rechtsanwalt.

Sein spätes literarisches Debüt „Lügen in Zeiten des Krieges“ verfasste er während eines Sabbaticals. In dem Roman verarbeitet er autobiografisch seine Erlebnisse als Jude in Polen unter der Naziherrschaft. Auch nach dem Erfolg als Schriftsteller blieb er als Jurist tätig.

Aus der Begründung der Jury:

„Louis Begley hat in seinem Roman ,Lügen in Zeiten des Krieges‘ eigene Kindheitserfahrungen thematisiert. […] Die Kühnheit des Buches besteht darin, dass der Autor die Perspektive des Kindes – auch aus dem Abstand von mehr als fünf Jahrzehnten – scheinbar nicht verlässt. […] Das Buch argumentiert nicht, es überzeugt durch die Kraft der Vergegenwärtigung einer Überlebensstrategie.”

Aus der Laudatio von Gert Heidenreich:

„Der Preis, den Sie heute erhalten, kann nichts erleichtern, nichts heilen. Aber er soll Ihnen Dank sagen für eine Erkenntnis, die durch Ihre erinnernde Phantasie ebenso wie durch die liebevolle Tapferkeit von Jeanette Schocken befördert wird: Es gibt ein anderes Telos der Geschichte als die Apokalypse; ein anderes Ziel als die Perfektion des Infernos. […] Dieses hoffnungsvolle Ziel mag heißen: Leid verwandeln in Kenntnis, Kenntnis verwandeln in Wachsamkeit, Wachsamkeit verwandeln in Nähe.“

Aus der Dankrede von Louis Begley:

„Unrecht und Gewalt gegen den Anderen, gegen Fremde, und unsere Gleichgültigkeit, mit der wir bereitwillig wegsehen, wurzeln in unserer Unfähigkeit, die dem Fremden eigene Menschlichkeit im wahrsten Sinn des Wortes wiederzuerkennen. […] Wir müssen unbedingt lernen, im Fremden unseren Bruder oder unsere Schwester zu erkennen. Wenn wir das nicht tun, dann werden wir kaum den Mut finden, uns jenen in den Weg zu stellen, die ihnen Schaden zufügen wollen. Es wird helfen, wenn wir dabei auch sehen lernen, dass menschliche Vielfalt ein Grund zur Freude ist: sie bereichert die Welt und unsere Erfahrung.“